Der Verkehr in den Straßen von Tokio ist in vielen Stadtteilen so unaufdringlich, dass wir uns oft gefragt haben, ob wir tatsächlich in einer der größten Metropolen der Welt zu Gast waren. Verglichen mit Großstädten in Europa erscheinen viele der mehrspurigen Straßen überdimensioniert. Die Fahrzeuge, die es gibt, sind oft klein und unauffällig. Unter der Erdoberfläche sieht der Verkehr anders aus, denn dort erstreckt sich die Tokio Metro. Sie ist der stählerne Puls der Stadt. Ein gigantisches Netz aus Schienen und Bahnhöfen. Über fünf Millionen Passagiere nutzen die Metro täglich und für die meisten Stadtbewohner ist es nicht rentabel, ein eigenes Auto zu besitzen. Der Unterhalt ist teuer und Parkplätze sind begehrt. Die Metro hingegen fährt pünktlich, schnell und zuverlässig. Verglichen mit dem öffentlichen Nahverkehr in Deutschland ist sie extrem günstig.
Eine Karte vom Schienennetz der Metro in Tokio wirkt auf den ersten Blick wie ein einschüchternder, großer Knoten aus bunten Linien. Nach unseren Erfahrungen ist es aber nicht schwer, im Gewirr der verschiedenen Strecken die Übersicht zu behalten. Jede Linie hat ihre eigene Farbe, die auf fast allen Schildern und Karten verwendet wird. Die Namen der Linien zu kennen, kann hilfreich sein, es genügt aber, sich an ihren Farben zu orientieren. So wird beispielsweise eine Fahrt von Ueno nach Shibuya zu einer Lappalie, wenn man im Bahnhof von Ueno den orangenen Markierungen folgt. Das ist die Ginza-Linie. Zusätzlich hat in Tokio jede Station einer Linie eine Kennzeichnung mit einer Nummer. Für die Ginza-Line ist Uneo der Bahnhof G16 und Shibuya ist G1. Das ist die Endstation. Stationen, die von mehr als eine Linie angefahren werden, haben mehrere Kennzeichen. Spitzenreiter ist der Bahnhof Otemachi. Dort laufen fünf Stecken zusammen.
Die Metro ist nicht so verwirred, wie sie auf den ersten Blick erscheint.
Zur Hauptverkehrszeit kann es in der Metro eng werden
Sinnvoll ist es, einige Stationen auf den Strecken zu kennen, um auf den Bahnsteigen schneller die richtige Fahrtrichtung zu erkennen. Fährt der Zug auf einem Gleis der Ginza-Linie in Richtung Asakusa, führt die andere Fahrtrichtung zwangsläufig nach Shibuya. Besonders gut funktioniert es, wenn man die Endstationen der Linien kennt. Sie werden oft auf Schildern und Anzeigetafeln genannt. Ohne diese Information ist man jedoch nicht hilflos. In jedem Bahnhof und an den Bahnsteigen gibt es umfangreiche Karten auf denen die Strecken, die Bahnhöfe und die Fahrtzeiten beschrieben werden. Sie sind leicht zu verstehen. Kenntnisse der japanischen Sprache sind nicht erforderlich. Die Durchsagen in den Zügen sind in japanischer und englischer Sprache. In vielen Zügen gibt es Bildschirme, auf denen die Strecke und der nächste Bahnhof angezeigt werden. Das geschieht ebenfalls in mehreren Sprachen.
Nachdem wir den Sprung ins Unbekannte gewagt hatten, wurde die Metro für uns zu einem beliebten und unverzichtbaren Transportmittel. Nach einer kurzen Eingewöhnung war es Alltag, nach dem Frühstück in die Metro zu steigen. Nahezu jeder interessante Ort innerhalb der Stadt ist mit einem Zug erreichbar, sei es der Akihabara, der Sky Tree oder Nakano. Besitzt man eine Pasmo oder Suica Karte, ist es leicht, für die Fahrten zu bezahlen.
Als Europäer kennen wir die Bilder, auf denen Menschen in eine volle U-Bahn gedrückt werden, doch persönlich mussten wir das in Tokio nie erleben. Wenig überraschend ist die Bahn während des Berufsverkehrs voll, aber das Verhalten der Pendler ist zivilisiert. Manchmal schlafen die Japaner in der Bahn, nur um an dem Bahnhof, an dem sie aussteigen müssen, auf wundersame Weise rechtzeitig wach zu werden. Wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann, ist es nicht schwer, nach einem anstrengenden Tag in der Metro einzuschlafen. In den Zügen ist es leise, denn die Japaner legen Wert darauf, einander nicht zu stören. Laut geredet, oder gar telefoniert, wird in der Metro nicht.
Viele Metro-Stationen, die wir bei unseren Reisen nach Tokio gesehen haben, waren übersichtlich. Einige Bahnhöfe sind sogar so klein, dass wir überirdisch die Straße überqueren mussten, um auf das Gleis für die andere Fahrtrichtung zu gelangen. Manche Stationen sind gigantische unterirdische Monster, mit einem Dutzend oder mehr Ausgängen. Wie in Tokio zu erwarten, sind alle Wege gut dokumentiert und ausgeschildert, man sollte jedoch drauf achten, wohin die Wege führen. Beispielsweise ist es keine gute Idee, unvorbereitet nach Shinjuku zu fahren und dort am Bahnhof einen beliebigen Ausgang zu nehmen. Wir sind, ohne nachzudenken, dem Strom aussteigender Passagiere gefolgt und standen am Ende unerwartet vor dem Cocoon Tower. Ein interessanter Ort, allerdings etwas entfernt von unserem zuvor geplanten Ziel.
Ich muss gestehen, in Deutschland fahre ich wenig mit der Bahn und vielleicht hat mich deshalb ein Umstand besonders überrascht: Die Metro fährt nicht 24 Stunden am Tag! Ab etwa 23 Uhr stellen die ersten Linien den Betrieb ein, bevor der Verkehr nach Mitternacht komplett zum Stillstand kommt. Das hätte ich von einer Metropole wie Tokio nicht erwartet. Sollte man die letzte Bahn verpassen, bleiben die Taxis als Alternative, um zurück nach Hause zu kommen. Eine andere Möglichkeit wäre eine Übernachtung in einem der zahllosen Kapselhotels. Ich würde gerne wissen, wie viele Japaner diesen Weg wählen, weil sie zuvor in Bars oder Restaurants versackt sind und die Metro nicht mehr fuhr.
Einer der Eingänge zur Station Asakusa